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Was bedeutet tiefbegabt: Bedeutung, Definition & Herkunft | Jugendsprache


tiefbegabt

Tiefbegabt – das klingt fast wie ein Widerspruch in sich. Ein Wort, das neugierig macht, weil es gleichzeitig vertraut und doch ungewöhnlich wirkt. Im Duden sucht man es vergeblich. Trotzdem ist es im deutschen Sprachgebrauch angekommen – vor allem bei Jugendlichen. Das liegt unter anderem an seiner Herkunft, aber auch an der pfiffigen Art, wie es funktioniert. Denn: Jeder kennt das Gegenteil. Und genau das macht es so eingängig.

Hier wurde ein bekanntes Konzept auf den Kopf gestellt – sprachlich clever, augenzwinkernd und irgendwie treffend. Diese Wortneuschöpfung, bei der durch ein einfaches Präfix eine neue Bedeutung erzeugt wird, kann zu den sogenannten Okkasionalismen gezählt werden. Es handelt sich also um einen Begriff, der aus einer bestimmten Situation heraus entstanden ist und stilistisch sowie emotional sehr passend wirkt. Solche Ausdrücke können ihren Platz im herkömmlichen Wortschatz finden.

Tiefbegabt ist genau so ein Fall. Obwohl das Wort auf den ersten Blick lustig wirkt, verbirgt sich dahinter mehr, als man vermuten würde. Also, was genau bedeutet tiefbegabt, woher kommt der Begriff – und wie wird er heute verwendet?

Was bedeutet tiefbegabt: Definition und Bedeutung

Tiefbegabt ist eine ironische Wortneuschöpfung. Der Begriff steht sinngemäß für das Gegenteil von hochbegabt. Wer hochbegabt ist, hat ein überdurchschnittliches Denkvermögen. Tiefbegabt bezieht sich hingegen auf Menschen, deren kognitive Fähigkeiten unter dem Durchschnitt liegen – oder zumindest so eingeschätzt werden.

Dabei ist tiefbegabt nicht gleichzusetzen mit „dumm“. Das Wort beschreibt vielmehr eine Art von Einschränkung, mit der man auf bestimmte Situationen langsamer reagiert oder länger zum Verstehen braucht. Es geht um eine andere Art zu denken – nicht unbedingt um weniger Fähigkeit. So wird das Wort auch in seinem Ursprung verwendet: als eine milde Selbstbeschreibung, die eine gewisse Schwäche benennt, ohne sich darüber lustig zu machen.

Woher kommt der Begriff tiefbegabt: Ursprung

Die bekannteste Quelle für das Wort tiefbegabt ist der Kinder- und Jugendroman „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel aus dem Jahr 2008. In diesem vielfach ausgezeichneten Buch beschreibt sich der zehnjährige Protagonist Rico selbst als tiefbegabt.

Rico lebt mit seiner Mutter in Berlin-Kreuzberg, hat eine blühende Fantasie – aber Schwierigkeiten mit Konzentration, Orientierung und logischem Denken. Er sagt über sich: „Ich kann alles denken, aber es dauert länger.“ Damit stellt er sich nicht als „dumm“ dar, sondern als jemand, der einfach anders tickt.

Im Buch begegnet Rico dem hochbegabten Oskar – einem schüchternen, extrem vorsichtigen Jungen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Als Oskar entführt wird, beginnt Rico trotz seiner Unsicherheiten, auf eigene Faust nach dem Täter zu suchen. Das Spannende: Seine vermeintliche Schwäche wird dabei zur Stärke – denn er sieht Dinge, die andere nicht erfassen.

Auch der Titel des Romans enthält eine Wortschöpfung: „Tieferschatten“ – ein Begriff, den Rico für unheimliche Schatten in einer Wohnung gegenüber erfindet. Der kreative Umgang mit Sprache zieht sich durch das gesamte Buch.

Wo und wie wird der Ausdruck tiefbegabt verwendet

Heute wird tiefbegabt vor allem von Jugendlichen verwendet – sowohl im direkten Gespräch als auch online, etwa in Memes oder Social-Media-Kommentaren. Meistens geht es darum, jemanden auf freundliche oder ironische Weise darauf hinzuweisen, dass er etwas nicht verstanden hat.

Die Verwendung ist dabei stark vom Tonfall und dem sozialen Kontext abhängig. In einer vertrauten Runde kann tiefbegabt ein harmloser Scherz sein – fast schon liebevoll gemeint. In anderen Situationen kann es jedoch auch verletzend wirken, vor allem wenn es dazu dient, jemanden bloßzustellen.

Welche Synonyme gibt es für tiefbegabt

Es gibt kein direktes Synonym für tiefbegabt , da das Wort durch seine ironische Umkehrung einzigartig ist. Es lassen sich jedoch Begriffe ausmachen, die in bestimmten Kontexten ähnlich gemeint sein können:

  • Minderbegabt
  • Schwer von Begriff
  • Nicht die hellste Kerze auf der Torte
  • Begriffsstutzig
  • Langsam im Denken
  • Etwas einfach gestrickt

Achtung: Viele dieser Ausdrücke sind deutlich beleidigender als tiefbegabt und haben keinen ironischen oder humorvollen Anklang. Der besondere Reiz von tiefbegabt liegt gerade darin, dass es freundlich und fast schon niedlich wirkt – obwohl es im Kern eine Kritik enthält.

Wie ist tiefbegabt gemeint

In der ursprünglichen Bedeutung, wie im Roman von Steinhöfel, ist tiefbegabt eine einfühlsame Selbstbeschreibung: Jemand weiß um seine Schwächen, benennt sie offen – aber ohne sich kleinzumachen.

In der Jugendsprache wird der Ausdruck aber oft sarkastisch verwendet. Man sagt etwa: „Der Typ ist echt tiefbegabt“ – wenn jemand eine einfache Sache nicht versteht oder sich besonders ungeschickt verhält. Je nach Tonfall kann das entweder witzig oder herablassend wirken.

Manchmal wird tiefbegabt auch als Reaktion auf eine direkte Beleidigung benutzt – etwa um die Schärfe aus dem Gespräch zu nehmen: „Na ja, sagen wir einfach, er ist tiefbegabt.“ Damit wird das Thema umgedeutet, ohne sich auf ein niedriges Niveau zu begeben.

Die Wirkung hängt also stark davon ab, wie und in welchem Rahmen das Wort eingesetzt wird. Ein sanfter Ton kann das Wort fast entwaffnend wirken lassen. Bei spöttischer Aussprache hingegen wird daraus schnell eine Beleidigung.

Beispiele für die Verwendung von tiefbegabt

Hier ein paar typische Situationen, in denen tiefbegabt im Alltag verwendet wird:

  • In der Schule: „Ey, hast du wirklich die Hausaufgaben vercheckt? Du bist doch tiefbegabt, Alter!“
  • Im Gaming-Chat: „Warum gehst du schon wieder in die Falle? Tiefbegabt oder was?“
  • Unter Freunden: „Haha, schon wieder die Tür in die falsche Richtung gedrückt – komplett tiefbegabt heute!“

Solche Sätze sind meist nicht böse gemeint – sondern Ausdruck jugendlicher Frotzelei. Gleichzeitig sollte man darauf achten, dass das Gegenüber den Spaß auch versteht.

Wer hat das Wort in die Jugendsprache eingeführt

Zwar lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wann genau tiefbegabt den Weg in die Jugendsprache gefunden hat. Es spricht aber viel dafür, dass der Begriff durch das Buch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ populär wurde.

Der Roman ist seit seiner Veröffentlichung 2008 Teil vieler Schulcurricula. Es gibt begleitende Unterrichtsmaterialien und Leseförderprogramme. Die Geschichte wird in unterschiedlichen Klassenstufen behandelt – was die Verbreitung des Begriffs stark begünstigt haben dürfte.

2014 wurde die Geschichte zudem verfilmt. Regisseur Neele Leana Vollmar brachte sie mit bekannten Schauspielern wie Anke Engelke, Karoline Herfurth und Axel Prahl auf die Leinwand. Es gibt zwei Fortsetzungen von 2015 und 2016. Die Filme trafen den Nerv der Zeit – sie nahmen Kinder ernst, ohne sie zu belehren. Das prägte nicht nur das Verständnis von Inklusion, sondern eben auch den Sprachgebrauch.

So wurde tiefbegabt zum festen Bestandteil der Jugend-Popkultur – und schaffte es von dort aus in den Wortschatz vieler junger Menschen.