Piç leicht erklärt: Bedeutung, Definition & Herkunft | Jugendsprache

Sprache unterliegt einem steten Wandel und kann sich im Laufe der Zeit verändern. Ebenso kommt es vor, dass sie eine andere Bedeutung annimmt, wenn sie in einen neuen Kulturkreis eingeführt wird.
Das gilt für das Wort Piç, bei dem erst der Kontext darüber entscheidet, ob sich dahinter eine ehrverletzende oder eine harmlose Aussage verbirgt.
Inhalt
Was bedeutet Piç: Definition und Bedeutung
Manchmal reißt selbst dem friedlichsten Menschen der Geduldsfaden – und seine Wut entlädt sich in wilden Flüchen. Davon gibt es in der deutschen Sprache immerhin einige. Und die Migration im Lande führt dazu, dass auch Begriffe aus anderen Kulturen dabei immer beliebter werden.
Wer eine Vorliebe zur südländischen Kultur hat, kann eine andere Person etwa als Hijo de Puta bezeichnen – und sie einen H*rensohn nennen. Geläufig ist ebenso das englische Wort Basterd, das in der Abwandlung Bastard im deutschen Sprachgebrauch längst etabliert ist.
Immer häufiger lässt sich zudem der Ausdruck Piç hören. Er entstammt der türkischen Gesellschaft und gilt dort als eine besonders schwere Beleidigung, die sich als Mistkerl oder Arsch übersetzen lässt. Im Deutschen wird das Wort allerdings ein wenig anders verwendet.
Ein kurzer Ausdruck des Zorns
Bei einem Piç handelt es sich in der Regel um eine männliche Person, die sich in den Augen des Betroffenen falsch verhalten hat. Das kann vielleicht der Lehrer sein, der dem Schüler eine unverdient schlechte Note erteilt. Oder es ist der Fußballspieler, der seinen Gegner schwer foult.
Eventuell ist es aber auch ein Fremder, der uns im Bus den Platz wegnimmt, der uns auf dem Gehweg anrempelt oder der uns anderweitig in einem kurzen Moment zu einem Wutanfall anregt. Die Gemüter kochen hoch, auf den Ausdruck Piç folgt häufig ein Konter, der auch nicht immer der ganz feinen Klinge entspricht. Zumeist bleibt es aber dabei.
Ein in dieser Form begonnener Ausbruch der Emotionen kann sich binnen wenigen Sekunden abkühlen.
Ein Blick auf die Herkunft
Der Begriff zielt dennoch direkt auf die Ehre des Angesprochenen ab. Neben den bereits erwähnten Übersetzungen des Mistkerls und des Arsches lässt sich Piç eben auch als H*rensohn interpretieren.
Das Wort kann bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Seine Ursprünge liegen im einstigen Osmanischen Reich, das neben der Türkei etwa Albanien, Kroatien, Serbien oder Ungarn umfasste.
Im Osmanischen Reich gab es eine gehobene, eine mittlere und eine vulgäre Sprache. Während die ersten beiden von der Verwaltung, beim Handel sowie in zwischenmenschlichen Unterhaltungen genutzt wurden, kamen vulgäre Ausdrücke nur selten zum Einsatz. Wer dabei jemanden als Piç bezeichnete, unterstellte ihm aber tatsächlich, das Kind unverheirateter Eltern zu sein. Hiermit war folglich eine Ehrverletzung verbunden.
Der Ausspruch konnte somit den Frieden zwischen zwei Menschen nachhaltig beschädigen.
Das Vertrauen leidet
Im Gegensatz zu vielen anderen Beleidigungen kommt dem Wort Piç zumindest in der türkischen Kultur eine Besonderheit zu: Neben der Ehre des Angesprochenen wird auch immer auf das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Betroffenen abgezielt. Das lässt sich natürlich nur dann beobachten, wenn sich beide bereits kannten und somit eine gemeinsame Basis vorhanden war.
Verhält sich der Freund nicht wie ein Freund, so ist er ein Piç. Gleiches gilt für jemanden, der gegenüber seinen Kollegen egoistisch vorgeht. Wird jemand als Piç bezeichnet, so kann das also einerseits einen kurzen Wutausbruch verdeutlichen – es kann andererseits aber auch heißen, dass die so titulierte Person die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllt hat und sie dabei bereit war, einen anderen Menschen zu hintergehen oder ihm sogar einen schweren Schaden zuzufügen.
Längst in der Popkultur etabliert
Das zuvor Gesagte lässt sich anhand des Songs „Piç“ des deutschen Rappers Capital Bra ganz gut nachvollziehen. Der in Sibirien geborene und später nach Deutschland ausgewanderte Sänger beschreibt darin eine Freundschaft, die böse endet. Und das vor allem deswegen, weil Capital Bra von seinem Freund, den er wie einen Bruder behandelt, eiskalt gegenüber der Polizei mit Blick auf eine Straftat verraten wird.
Für Bra reicht dieser Fehler, um eine Person gänzlich zu hassen, mit der er eben noch seine intimsten Gedanken geteilt hat und bei der er Schutz fand. Alleine die Aussage des Freundes genügt, dass eine langjährige Freundschaft zerbricht – und eine Rettung der zwischenmenschlichen Beziehung kaum mehr möglich erscheint.
„Piç, doch ich kann ihn doch nicht einfach schlagen
Scheiß auf ihn, was soll ich seiner Mutter sag’n?
Doch es ist sicher, dass ich diesen Spast bumms
Was will er meiner Mama sagen, wenn ich in den Knast muss?
Die Straße guckt zu, ich muss reagier’n
Ich darf mein Gesicht nicht verlier’n
Das ist ein Versprechen, das ist keine Drohung
Ich geh‘ vor seine Haustür und hol‘ ihn aus der Wohnung
Der Hass in meinem Kopf, ich habe so viel‘ Fragen
Du kleiner Piç, wie konntest du mich bloß verraten?
Wir war’n doch Brüder, fast wie leibliche
Aber geh ich in den Knast, dann für zwei Stiche“
In ähnlicher Weise äußern sich übrigens andere Künstler: Gerade in der türkischen Kultur kommen Songs mit dem Titel Piç zu Dutzenden vor. Unter anderem in „Billo“ von Nimo & Summer Cem, dort heißt es:
„Sweater von Prada, der Shit hier sitzt locker
Sogar mein Pyjama ist Linea Rossa
Dein Ex ist ein Piç und ein richtiges Opfer
Er macht kein’n Cheese, er macht bisschen Ricotta (Kein Komma)“
Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei
Allerding muss stets der Kontext betrachtet werden, in dem das Wort Piç fällt. Wird es von Menschen mit türkischen Wurzeln verwendet, ist damit in aller Regel eine scharfe Beleidigung gemeint.
Etwas anders sieht die Ausgangslage im Deutschen aus. Hier kommt dem gesprochenen und in den sozialen Medien sowie in den Chatgruppen geschriebenen Begriff neben der Abwertung auch etwas Humorvolles zu. Der Ausdruck kann als Scherz oder als ein eher schwach ausgeprägter Wutausbruch verstanden werden – in den meisten Fällen umfasst er aber nicht das Ende der Freundschaft: “Du Piç hast in der Mathearbeit schon wieder von mir abgeschrieben, lass das lieber”.
Das Beispiel dieses einen Wortes zeigt, wie sich Sprache verändern kann und welchem Wandel sie unterliegt, wenn sie von einem Land in eine andere Kultur mitgenommen wird.
Genaues Hinhören vermeidet Probleme
Wird der Begriff Piç im Rahmen einer Unterhaltung genutzt, können daraus schnell einmal Missverständnisse entstehen. Denn je nach Betonung ähnelt Piç mit dem Peach einem anderen Jugendwort.
Beide werden kurz als “Pitsch”, lang als “Pietsch” ausgesprochen. Und während das eine in der Bedeutung irgendwo zwischen harmlosem Scherz und schwerer Beleidigung rangiert, meint das andere eher eine süße, hübsche, attraktive und niedliche Person. Zwar wird Peach zumeist gegenüber Frauen gebraucht, kann aber auch unter Jungen eingesetzt werden: “Wie hat dir mein Gesang vorhin im Musikunterricht gefallen?” – “Du warst mal wieder ein ziemlicher Piç/Peach”.
Begriffe wie dieser, die in mehreren Interpretationen etabliert sind oder die eine phonetische Nähe zu anderen häufig zu hörenden Worten erkennen lassen, sollten daher mit Fingerspitzengefühl zur Anwendung kommen.