Edgelord-konträre Meinungen als Booster für das eigene Selbstwertgefühl: Bedeutung, Definition & Herkunft | Meme
Mitunter lässt es sich im Gespräch eben nicht vermeiden, eine Sichtweise zu vertreten, die vielleicht nicht jedermanns Zustimmung findet. Doch was ist eigentlich von Personen zu halten, die bei jedem Anlass offen zur Schau stellen wollen, wie sehr sie vom Mainstream abweichen?
Der moderne Sprachgebrauch bezeichnet solche Menschen als Edgelord – aber was genau ist damit gemeint, durch welche Merkmale geben sich die Betroffenen zu erkennen und warum sind sie so unbeliebt?
Inhalt
Was bedeutet Edgelord: Definition und Bedeutung
Unterschiedliche Meinungen gelten als die unverzichtbare Würze einer jeden guten Diskussion. So dürfen gerne einmal voneinander abweichende Ansichten aufeinanderprallen – vor allem dann, wenn man sich gegenseitig genug Freiheiten lässt, um konträre Perspektiven zu erörtern. Aber gerade durch die voranschreitende Digitalisierung lässt sich speziell im Internet ein Trend beobachten:
In jeder Debatte scheint es immer diese eine Person zu geben, die krampfhaft mit einer Mindermeinung auffallen und die damit gegen den Strom schwimmen muss. Natürlich stets zum Ärger der übrigen Beteiligten, die sich in ihrer gesamten Argumentation nicht mehr ernst genommen fühlen. Im englischen Sprachgebrauch wird jener Teilnehmer, der die Ansichten der anderen Personen konterkarieren möchte, als Edgelord bezeichnet.
Die direkte deutsche Übersetzung spricht dabei manchmal vom Kantenkönig – was allerdings etwas gezwungen klingt und somit der Grund sein dürfte, warum sich die Bezeichnung Edgelord sowohl im Internet als auch im realen Alltag gerade etabliert. Unter diesem Hashtag lassen sich in den sozialen Medien mittlerweile einige Millionen Postings finden.
Provokation als Markenzeichen
Im Internet gibt es zahlreiche Artikel, die der Frage nachgehen, welche Eigenschaften den Edgelord auszeichnen – einmal davon abgesehen, dass sein gesamtes Auftreten und sein Kommunikationsstil oft als nervend wahrgenommen werden. Grundsätzlich vertritt der Betroffene zunächst eine Sichtweise, die im deutlichen Gegensatz zu dem zu stehen scheint, was die übrigen Diskutanten bereits besprochen haben.
Wo der Edgelord einer Debatte beitritt, da unterlässt er es allerdings, viele Worte zu schreiben oder seinen Standpunkt einmal näher auszuführen. Stattdessen wirft er mit Emojis, Grafiken, Memes und Links zu zweifelhaften Inhalten nur so um sich. Und das macht er gerne einmal genau dann, wenn es am wenigsten passt und sein Vorgehen eine gut geführte Unterhaltung stört.
Zudem wirkt der Edgelord stets etwas arrogant und distanziert – gerade so, als fühle er sich den anderen Beteiligten überlegen. Das Provozieren gehört bei ihm längst zum guten Ton: Wenn jemand darauf einsteigt und sich von ihm zu einer unbedachten Äußerung hinreißen lässt, nimmt er dessen Strafe gerne in Kauf. Zumindest aber vergiftet er bewusst das Gespräch.
Auffallen um jeden Preis
Mittlerweile können sogar Soziologen ihre Doktorarbeit zur Frage schreiben, warum sich der Edgelord gegenüber anderen Personen eigentlich so verhält. Denn ihm muss klar sein, dass er mit seinem Diskussionsstil keinerlei Zuspruch erwarten, Likes bekommen oder gar Sympathisanten finden wird. Warum also dieser Aufwand, nur um letztlich von anderen Menschen als negativ beurteilt zu werden?
Die US-amerikanische Autorin Rachel Monroe hat dem Edgelord einen eigenen Artikel gewidmet. Sie beschreibt die hinter dem Internetaccount stehende Person als ein Kind, das im virtuellen Web nur angsteinflößend wahrgenommen werden möchte. Meist handele es sich bei ihnen um Einzelgänger, die im normalen Leben blass und kaum charismatisch wirken.
Immer wieder fällt der Edgelord dadurch auf, dass er die ihm gebotene Bühne eines Internetforums oder eines Chats in den sozialen Medien nutzt, um sich ins Rampenlicht zu stellen. Da ihm offenbar die Mittel dafür fehlen, das Ziel auf normalem Wege – etwa durch eine kluge Argumentation – zu erreichen, setzt er die Provokation ein, um das Aufsehen auf sich zu lenken.
Die Wurzeln liegen im Onlinegaming
Seine ersten Auftritte hatte der Edgelord kurz nach der Jahrtausendwende – auch wenn der Begriff an sich zu jener Zeit noch unbekannt war. Der Betroffene wählte in Onlinespielen zumeist Charaktere, die von denen der anderen Spieler abwichen, indem sie dunkler und böser gestaltet wurden.
Innerhalb eines Rollenspiels können die Teilnehmer aus unterschiedlichen Figuren wählen. Viele von ihnen sind gut angesehen – wie die Händler, die Soldaten, die Magier, die Gelehrten sowie die Handwerker und Landwirte. Ihnen gegenüber stehen die nicht ganz so sympathischen Charaktere wie die Diebe und solche Zauberer, die Tod und Verderben bringen können.
Für den Edgelord ist es typisch, mit einer Figur teilzunehmen, die besonders deutlich im Abseits steht. Durch ihre Kleidung, ihre Bewaffnung und ihr Verhalten im Spiel versucht sie gar nicht erst, Mitglied einer Gemeinschaft zu sein, sich für ein höheres Ziel einzusetzen und gemeinsam mit anderen etwas aufzubauen. Ihr Ziel besteht nur darin, das Leben der übrigen Spieler so schwer wie möglich zu gestalten.
Das Jahr 2015 als Wendepunkt
Wussten also viele Menschen dank der Gaming-Kultur nach der Jahrtausendwende, was ein Edgelord ist, so wurde der Begriff an sich erst im Jahre 2015 populär. Zwar tauchte er zum ersten Mal im Jahre 2023 im Onlinewörterbuch Merriam-Webster auf – sein Ursprung wird aber mit 2015 datiert. Ab dieser Zeit wurde er auf der Onlineplattform 4Chan immer häufiger verwendet und gelangte schließlich in den allgemeinen Sprachgebrauch.
Häufig wird der Edgelord übrigens mit dem Troll gleichgesetzt. Tatsächlich gibt es im Auftreten und in der Kommunikation der beiden diverse Gemeinsamkeiten. Der Unterschied liegt indes in der Motivation dieses rüpelhaften Verhaltens: Während der Edgelord meist darauf bedacht ist, sich zu inszenieren und damit sein Selbstwertgefühl zu verbessern, zielt der Troll auf die Gefühle der anderen beteiligten Personen ab, indem er deren gute Laune stören möchte.
Der deutsche Rapper Juse Ju hat in seinem Song mit dem gleichnamigen Titel dargestellt, was er vom Edgelord hält. Vor allem die oft als cool hingestellte Aura wird als Fassade beschrieben, hinter der sich ein sonderbarer Mensch verbirgt, der im Leben wenig Grund zu Stolz und Freude habe. Juse Ju bezieht sich dabei nicht nur auf den allgemeinen Edgelord, sondern ebenso auf die zunehmenden Disstracks, die häufig auch nur deshalb entstehen würden, weil schlechte Künstler die ihnen überlegenen Kollegen aus einem Neidgefühl heraus diskreditieren wollen.