Was bedeutet natzen: Bedeutung, Definition & Herkunft | Jugendsprache
Das Verb natzen gehört zum regionalen Sprachgebrauch. Vor allem im Ruhrgebiet wird es oft verwendet, um den Zustand des Einnickens oder Dösens zu beschreiben.
Inhalt
Wie ist der Ausdruck natzen entstanden
Er hat sich aus einer Kombination von Worten entwickelt, die natürliche Verhaltensweisen nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren beschreiben.
Wenn etwa Hunden oder Katzen, aber auch manche Menschen einnicken, strecken sie die Nase in die Luft. Aus dem „Nase strecken“ wurde dann natzen. Bei Tieren hat das vorrangig etwas mit ihrer olfaktorischen Beobachtungsgabe zu tun. Sie nehmen Gerüche so genau wahr, dass sie diese im Dämmerschlaf als Alarmsignal verwenden. Vorausschauend heben sie deshalb die Nase. Manche Menschen machen das auch.
Die linguistische Forschung glaubt jedenfalls an diesen Zusammenhang. Dementsprechend oft findet sich das Verb natzen in Wörterbüchern und Lexika, so dem Etymologischen Wörterbuch.
Belegt ist auch, dass den Begriff im Ruhrgebiet vor allem ältere Personen verwenden. Offensichtlich entstammt er einer tief verwurzelten Tradition.
Ein weiterer Erklärungsansatz verweist auf das Veralbern von Worten, das ebenfalls zur Sprachkultur gehört und ihre kulturellen Nuancen sowie den dynamischen Charakter von Sprache unterstreicht.
Verwendung des Wortes natzen im Ruhrgebiet
Die Region des Ruhrgebiets wird bekanntlich schon seit dem späten 19. Jahrhundert von der Kohle und der Schwerindustrie geprägt. Die Menschen hier sind in ihrer Landschaft stark verwurzelt und pflegen daher auch ihre regionalen Mundarten.
Das Ruhrpottdeutsch ist ein eigener Slang, zu dem auch das Wort natzen gehört. Die einheimische Bevölkerung nutzt ihren vielfältigen Dialekt und damit auch das Wort natzen im sozialen Kontext als ein Ausdruck von Vertrautheit und Nähe.
Künstler der Region wie Herbert Grönemeyer nehmen ihren Slang bisweilen in ihre Songs auf, um dem Dialekt ihrer Heimat ein Gesicht zu geben. Damit unterstreichen sie die regionale Identität und tragen zu einer lebendigen Sprache bei.
Vergleich mit anderen Ausdrücken
Das Wort natzen hat in anderen Dialekten durchaus seine Entsprechung. Beispiele wären:
- ratzen (Berlin – Brandenburg – Nordsachsen)
- pofen (ein Ausdruck des mittelalterlichen Bettlerdialekts Rotwelsch)
- grochen (Schwaben)
- schlummern (gesamter deutscher Sprachraum)
- pennen (Berlin – Brandenburg – Niedersachsen)
- abmatten (deutschlandweit verbreiteter Slang)
- rüsseln (deutschlandweit verbreiteter Slang)
- wegbeamen (gesamter deutscher Sprachraum, hat seinen Ursprung in der ab 1987 ausgestrahlten Kultserie „Star Trek“)
Diese vielen Wörter aus sogenannten Regiolekten (regionale Dialekte) belegen, wie vielfältig und lebendig unsere Sprache ist und welchen großen Schatz an Ausdrucksmitteln sie besitzt.
Manche Menschen insbesondere aus akademischen Kreisen verkennen diese sprachlichen Perlen: Sie gelten ihnen als Ausdrucksformen der sogenannten „Unterschicht“ (ein Begriff, den einst der Entertainer Harald Schmidt prägte), von der sie sich auch sprachlich abgrenzen möchten. Das führt aber in Wahrheit zu kultureller Verarmung.
Ich habe das Wort natzen noch nie gehört – warum nicht
Es ist ein Ausdruck des Ruhrgebiets, der von hier aus nie auf Wanderschaft ging. So etwas kommt weit häufiger vor, als viele Menschen glauben. In der Tat gibt es viele Dialekte, die auf einen sehr engen Raum begrenzt sind, so etwa in der Region Aschaffenburg – Offenbach am Main, in vielen bayerischen Regionen und auch in Teilen Schwabens.
Noch mehr ist das Phänomen in den Alpenstaaten Österreich und Schweiz sowie weltweit in allen Gebirgsregionen oder Gebieten mit vielen Flüssen verbreitet.
Der Hintergrund: In prähistorischen Zeiten, als sich die Sprache entwickelte, konnten die Menschen natürliche geografische Grenzen wie Flüsse, Berge und Täler nur schwer überwinden. Sie blieben auf engem Raum unter sich und pflegten dort ihren eigenen Dialekt. Er verschafft ihnen bis heute das Gefühl von Heimat. Sie möchten manche Worte gar nicht in anderen Regionen hören.
Wenn eine Person aus dem Ruhrgebiet auf Reisen war und wieder nach Hause kommt, ist sie glücklich, wenn ein Familienmitglied sagt: „Ich geh´ mal ein bisschen natzen.“