Was ist die Incel-Community: Bedeutung, Definition & Herkunft

Das Internet bietet ungeahnte Möglichkeiten für Gleichgesinnte, sich zu treffen, sich auszutauschen und sich zu verbinden. Nicht jedes Forum oder jede Chatgruppe verfolgt dabei aber einen vernünftigen Zweck.
Zuweilen kommen daher auch Menschen in der virtuellen Welt zusammen, deren Gemeinsamkeit im Hass zu sehen ist. So ist die Incel-Kultur in ihrer Ablehnung der Frauen vereint.
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Was bedeutet Incel: Definition und Bedeutung
Incel ist eine Zusammensetzung zweier Wörter, die aus dem englischen Sprachgebrauch stammen. Einerseits steht das Adjektiv “involuntary”, das sich als “unfreiwillig” übersetzen lässt. Andererseits kommt das Substantiv “celibate” zum Einsatz, mit dem das “Zölibat” gemeint ist.
Bei Incels handelt es sich somit um Personen – nahezu ausschließlich Männer –, die unfreiwillig in der sexuellen Enthaltsamkeit leben. In den Zeiten des Internets fällt es ihnen leicht, sich in Foren und Chatgruppen zu treffen, dort ihre Unzufriedenheit zu artikulieren und dennoch weitgehend anonym zu bleiben.
Die Incel-Kultur ist in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende entstanden und wird heute häufig in die Nähe zu Verschwörungstheoretikern gestellt. Einige Mitglieder der Community unterstützen Hass auf und Gewalt gegen Frauen. In einzelnen Fällen kam es dabei zu Übergriffen auf diese.
Vereint in der Opferrolle
Gleich ist den meisten Incels, dass sie den Mangel an sexuellen Kontakten sowie weitergehend die allgemeine Unfähigkeit zum Führen einer Beziehung auf eine immer freiheitlicher denkende Gesellschaft zurückführen. Für sie ist es ein Naturrecht, dass auch ihnen eine Partnerin zustehen sollte.
Je mehr die Frauen aber ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen, bei der Männerwahl den eigenen Wünschen und Bedürfnissen folgen, sich eventuell gleichgeschlechtliche Partnerinnen suchen oder sogar lange Zeit ein Singleleben führen, desto mehr würde sich diese Gesellschaft gegen die Incels wenden.
Die daraus entstandene Community stachelt sich gegenseitig in dieser Opferrolle an und leugnet die Realität, dass es den einzelnen Herren aus unterschiedlichen Gründen nicht gelingt, eine Freundin kennenzulernen. Auffällig ist zudem, dass es vielen Betroffenen an der Fähigkeit zur Selbstreflexion fehlt, sie die Ursachen für ihren Lebenswandel also häufig bei anderen Menschen suchen.
Ein Phänomen unter jungen Männern
Die Incel-Kultur ist in den letzten Jahren häufig der Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Dabei konnten wichtige Erkenntnisse über die Community gewonnen werden.
So gehört der überwiegende Teil der Mitglieder der Altersgruppe von 15 bis 25 Jahren an. Rund ein Drittel aller registrierten Teilnehmer ist zwischen 18 und 21 Jahren jung. Im Gegensatz zu anderen Gruppierungen, die den Verschwörungstheorien nahestehen, werden die Incels nichts von weißen Personen dominiert: Hell- und dunkelhäutige Menschen sind etwa zu gleichen Teilen vorhanden.
Insbesondere die People of Color sehen dabei jedoch auch ihre ethnische Herkunft als Grund für die Ablehnung durch die Frauen an. Hat sich die Kultur zur Jahrtausendwende in den Vereinigten Staaten von Amerika ins Leben gerufen, so agiert sie heute weltweit. Auf allen Kontinenten und in vielen Ländern lassen sich entsprechende Foren und Chatgruppen finden.
Der Irrglaube an eine Gesellschaft, die auf äußerliche Merkmale abstellt
Innerhalb der Gemeinschaft vertreten viele Incels die Ansicht, dass sie von den Frauen nicht aufgrund ihrer Persönlichkeit, ihrer Intelligenz sowie ihrer sonstigen Eigenschaften und Fähigkeiten als potenzielle Partner abgelehnt werden. Im Regelfall werden die Gründe dafür auf das Aussehen zurückgeführt.
In einer Gesellschaft, in der in Filmen oder in der Werbung mehrheitlich Alpha- und Sigma-Männer als der Durchschnitt präsentiert werden, falle es allen anderen Herren eben schwer, auf Frauen attraktiv zu wirken.
Im Wesentlichen seien die sexuelle Revolution und der voranschreitende Feminismus an dieser Entwicklung beteiligt. Wäre es zuvor so gewesen, dass Frauen einen Mann auf der gleichen gesellschaftlichen Stufe gesucht hätten, auf der sie selbst stehen, würden sie sich heute nur noch makellose Partner wünschen.
Die Herkunft des Begriffs
Die Ursprünge der Incel-Kultur reichen in das Jahr 1997 zurück. Seinerzeit hatte eine junge Dame aus Kanada die fortschrittliche Digitalisierung nutzen wollen, um Menschen aller sexuellen Orientierungen über das Internet zusammenzuführen.
Sie gründete das online aufrufbare “Alana’s Involuntary Celibate Project”, das Betroffene in allen Teilen der Welt ansprach und deren Zielgruppe eben jene Personen – Frauen wie Männer – sein sollten, denen es aus unterschiedlichen Gründen nicht gelingt, Partnerinnen und Partner zu finden. Die Gemeinsamkeit der Mitglieder dieses Forums bestand folglich darin, sich zwar Liebe und Sexualität in ihrem Leben zu wünschen, beides indes nicht zu haben.
Das Project verstand sich dabei als Partnerbörse, wollte hauptsächlich aber eine Plattform zur Diskussion bieten und so den Incels eine Möglichkeit geben, ihre eigene Existenz zu hinterfragen und Lösungsansätze zu entwickeln.
Veränderungen ließen nicht lange auf sich warten
Verfolgte “Alana’s Involuntary Celibate Project” eigentlich das Ziel, Gleichgesinnten zu helfen, so stellte sich bald ein gegenteiliger Effekt ein: Innerhalb weniger Wochen wurde die Internetplattform von jenen Männern unterlaufen, die heute den modernen Incel-Begriff prägen.
Sie lebten online ihren Hass gegen die Frauen aus und übernahmen in der Folgezeit die Bezeichnung für sich selbst. Mehr noch, aus Teilen der Gruppe wurden immer wieder Verschwörungstheorien laut, einige davon besitzen einen rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Hintergrund.
Aus dem einzelnen Forum wuchs eine globale Kultur, die mittlerweile Workshops und Seminare über das Internet anbietet und die sich zunehmend in eine Radikalisierung hineinsteigert, die sogar vor Anschlägen nicht zurückschreckt, wie eine Amokfahrt im Jahre 2018 in Toronto zeigt.
Die Gruppe als neue Familie
Allerdings bilden solche Entwicklungen eine Ausnahme. Auch die Annahme, die meisten Incels seien gewaltbereit und politisch dem rechten Spektrum zuzuordnen, lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.
Demgegenüber darf der Leidensdruck der Betroffenen nicht unterschätzt werden, denen neben der körperlichen auch die emotionale Nähe zu einer Frau fehlt. In ihrem Drang, sich zu öffnen und Gleichgesinnte zu suchen, schließen sie sich dann häufig der Incel-Community an – vielleicht eine der wenigen Gruppierungen in ihrem Leben, aus denen sie nicht ausgeschlossen werden.
Kritiker der Incel-Kultur sehen daher auch Gesellschaft und Politik gefragt, die frauenfeindlichen Ansichten einer zunehmenden Zahl an Männern weltweit einzudämmen. Neben Aufklärungsangeboten bestehe vor allem die Möglichkeit, Mitglieder der Community beim Verfassungsschutz zu registrieren und sie so zu beobachten.